Gefahr für Demokratie, Freiheiten und Alternativen droht
nicht nur von rechtsradikaler Seite, erklärt Tomasz Konicz, denn …
„…der ökonomistische Extremismus der Mitte birgt weitaus
größere Gefahren, da er eine schleichende autoritäre Transformation der
Bundesrepublik ermöglicht, die durch eine beständige reaktionäre Verschiebung
des gesamten politischen Spektrums vollführt wird. Es findet keine Neugründung
einer Rechtspartei in der Bundesrepublik statt, gerade weil das gesamte
Parteienspektrum sukzessive nach rechts abdriftet. Und genau diese schleichende
Ausbildung einer "extremistischen Gesellschaft", in der Alles auf dem
Altar der krisengeplagten Ökonomie geopfert wird, birgt das größte
Gefahrenpotenzial für die Überreste bürgerlicher Demokratie und jegliche
soziale Emanzipation ... Schon längst werden auch in Deutschland Menschen in den Hungertod
getrieben, wenn sie den Befehlen der repressiven Armutsverwaltung nicht Folge
leisten können. Wir haben uns einfach an diese barbarischen Zustände längst
gewöhnt. Da sie in einer "demokratischen" Form per
Parlamentsbeschluss durchgesetzt wurden, werden sie kaum als extremistisch und
barbarisch wahrgenommen. … Je offensichtlicher der Kapitalismus an seine
inneren Grenzen stößt, desto stärker greift der Extremismus der Mitte um sich,
desto rigider und gnadenloser wird die Unterwerfung unter das Diktat der
kollabierenden Ökonomie eingefordert. "Du bist nichts, dein
Wirtschaftsstandort ist alles". … Die aufgrund dieser zunehmenden
kapitalistischen Krisendynamik aus der Kapitalverwertung herausgefallenen,
"überflüssigen" Menschen werden für die hieraus resultierenden,
sozialen Desintegrationserscheinungen verantwortlich gemacht. Die bloße
Existenz dieser auf soziale Transferleistungen angewiesenen Menschen wird ... zur Ursache der gegenwärtigen Krisenerscheinungen erklärt – diese
Krisenverlierer waren schlicht nicht "leistungswillig", so das Mantra
von Professor Hans-Werner Sinn, Sarrazin, Henkel, Rösler, Söder und Co. … Die
wirtschaftlich "Überflüssigen" des kollabierenden und in Barbarei
umschlagenden Kapitalismus sollen aufgrund eines eiskalten Rentabilitätskalküls
- derzeit zumindest als Kostenfaktoren - verschwinden.“
Eine Analyse von Tomasz Konicz, erschienen auf „TELEPOLIS –
heise online“: www.heise.de/tp/artikel/37/37354/1.htm
Die Thesen werden durch eine Studie der „Friedrich-Ebert-Stiftung“
belegt: http://library.fes.de/pdf-files/do/07504-20120321.pdf
(Tomasz Konicz, geb. 1973 in Olsztyn/Polen, studierte
Geschichte, Soziologie, Philosophie in Hannover sowie Wirtschaftsgeschichte in
Poznan. Arbeitet als freier Journalist mit Schwerpunkt Osteuropa. Er lebt
unweit der westpolnischen Stadt Poznan.)