30.09.2013

Die Qual der Nichtwahl

»Die Ideologie der Wahl macht uns passiv, weil sie Angst- und Schuldgefühle produziert. Anstatt gegen soziale Ungerechtigkeit zu protestieren, kritisieren wir uns permanent selbst dafür, dass wir womöglich die falschen Entscheidungen getroffen haben und nicht erfolgreich genug sind … Die Konzeption von Subjektivität bedeutet heute, konsumistische Entscheidungen zu treffen, sprich Konsument zu sein. Und dafür braucht man natürlich Geld. Wir haben vergessen, dass unsere Idee des Subjekts einst auf den Menschenrechten beruhte … Die Idee, dass das Subjekt seinen Lebensweg bewusst bestimmen und die Klasse wechseln kann, ist der Grundpfeiler des Kapitalismus. Das zeigt sich in den Büchern des 17. Jahrhunderts, aber auch im Konzept des Selfmademans … Heute ist die Vorstellung von Erfolg hingegen sehr medial vermittelt … Konsumlogik. Erst werden wir angehalten, mehr zu konsumieren: Und wenn wir uns dann schuldig fühlen, weil wir zu viel konsumiert haben, bekommen wir gegen viel Geld Therapien à la „Simplify your Life“ offeriert … Wenn die Ideologie der Wahl die Grundlage unseres Freiheitsverständnisses ausmacht, wird das Subjekt zum bloßen Konsumenten. Und dann kommt nur derjenige in den Genuss der Freiheit, der es sich leisten kann. Wenn wir Freiheit hingegen im Kontext universeller Menschenrechte denken, dann entsteht ein Konzept, das unabhängig vom Geld existiert … Eine wirkliche Wahl muss Veränderung bringen. In der Politik muss sie neue Möglichkeitsräume kreieren. Eine echte Wahl produziert Offenheit und Unvorhersehbarkeit … Wir denken nicht ernsthaft darüber nach, ob der Kapitalismus wirklich die ultimativ beste Organisationsform unserer Gesellschaft ist …«
Die Soziologin und Psychoanalytikerin Renata Salecl im Interview: www.freitag.de/autoren/nils-markwardt/diese-ideologie-macht-passiv
Konsumistische Ideologie praktisch: „Simplify your life“ oder „Deutschland schafft sich ab“ - die zynisch geprägten Autoren beider Bücher machen uns vor, zu viel „des Guten“ zu tun, wogegen wir nun das Gegenteil tun müssen. Sie machen uns Schuldgefühle, gegen die wir etwas tun müssen. Das besteht darin, ihnen ihre Bücher und damit ihre Weltanschauung abzukaufen. So werden wir verkauft. Das rechnet sich für sie und das ganze Wirtschaftssystem.

"Es ist eine Gesellschaft, deren Menschen sich von Konzernen darin leiten lässt, was erstrebenswert ist, was Glück bedeutet und ihre Befriedigung im Konsum erfahren, wenn auch nur kurz. Aber das nächste Angebot wartet ja schon. Völlig unfähig, um zu begreifen, dass ein Selbstbewusstsein das Letzte ist, was sich Konzerne für ihre Kunden wünschen. Menschen, die sich nur nach Außen orientieren und keine feste Bindung kennen, sind die konsumfreudigsten Kunden. Vertrauen bietet nicht die Familie, sondern die Marke. Konzerne gegen Selbstbewusstsein."
Auszug aus einem Kommentar von Björn Kügler auf seinem Blog: http://denkland.wordpress.com/2013/10/03/eine-gesellschaft-ohne-selbstbewusstsein/

23.09.2013

Angie Superstar

(… macht zwar nur, was ihr gesagt wird, aber das macht sie gut …)
»Zur Inszenierung des Politikers als Star gehört die Inszenierung und Selbstinszenierung des Publikums als Fans. Bei einem wie Horst Seehofer hat das die klassische Form der Bierzelt-Johler, bei Angela Merkel ist das subtiler …: Da wird sie, im Outfit des schon markenzeichenhaften Hosenanzugs aus dem schwarzen Fastback-Auto steigend, von einer Gruppe junger Frauen erwartet, die eher gecastet als spontan wirken, in der Art, wie sie möglicherweise die Mitglieder einer Boy Group begrüßen würden. Und sie halten „Angie“-Schilder in die Höhe, deren Design auf den ersten Blick wie das Logo eines neuen Discountmarktes anmutet. Was in diesem Bild auffällt, ist die Abwesenheit von Politik und einer dramatischen Logik. Die Technik jugendlicher Star-Beziehung wird auf eine Politikerin in gesetztem Alter übertragen ... Das Land, das sie behütet, will sie als Insel in der Welt vor Chaos und Niedergang schützen … Es gibt nur einen Weg, den uns solch ein Star weisen will: den Weg nach Hause … NSA und Google setzen nur fort, was wir als Wähler schon gewöhnt sind: unsere Auflösung in Daten und Metadaten … Nur zu dumm, dass wir uns in Wahrheit bloß in einer Traumfabrik befinden.« 
Auszüge aus einer Betrachtung von Georg Seeßlen über „Angela Merkel - Zur Inszenierung des Politikers als Star gehört die Inszenierung und Selbstinszenierung des Publikums als Fans“: www.freitag.de/autoren/der-freitag/superstar-1

18.09.2013

Entmachtung der Parlamente


Fritz Glunk, Herausgeber der Kulturzeitschrift "Die Gazette", über das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA und die Politik der Parlamente:
„… europäische …produzenten und andere Verbände singen dieses Klagelied, es werde zu viel politisch entschieden und nicht technisch. Es kann nichts anderes bedeuten, als dass damit Regelungen gemeint sind, die auf demokratische Weise zustande gekommen sind … Das Parlament soll nicht bestimmen dürfen, was der Wirtschaft erlaubt ist und was nicht ... unsere Parlamente werden damit entmachtet.“
Quelle und ganzes Interview: www.heise.de/tp/artikel/39/39873/1.html
 

05.09.2013

Klare Worte


In “Beckmann”, einer ARD-Talk-Sendung, sagte am 29.8.13 der Nahost-Experte, Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders (Transkript-Ausschnitte):
“Darf ich daran erinnern, dass das Giftgas, das Saddam Hussein 1988 in Halabdscha gegen die Kurden eingesetzt hat unter anderem auch von den USA geliefert worden ist? Damals war Giftgas eine legitime Waffe im Kampf Saddam Husseins gegen den verhassten Iran.
Darf ich darauf aufmerksam machen, dass der Süden Iraks einer der am meisten verstrahletn Regionen ist weltweit. Weil die Amerikaner und die Briten dort angereicherte Uran-Munition verfeuert haben. Die höchste Zahl an missgebildeten Babys weltweit werden geboren in den Krankenhäusern von Basra. Es ist ein Ergebnis der Kriegsführung der USA und Großbritanniens.
Und ich bin der Meinung, wenn wir Menschheitsverbrechen anprangern, dann dürfen wir nicht nur anprangern die Schweinereien, die ein Assad-Regime macht. Sondern wir sollten uns einmal selbstkritisch fragen, ob unsere Art uns selber in eine moralische Position zu begeben, ob dass nicht manchmal sinnvoller wäre einen Gang runter zu schalten, bisschen pragmatischer Politik zu machen.”
“Wenn ich noch ein ganz fieses Argument anführen darf … Möglicher Weise, das ist ja so bei diesen Kriegen, spielen da auch Dinge eine Rolle, über die wir uns gar nicht so richtig Vorstellungen machen. Im Juli diesen jahres hat der ehemalige französische Aussenminister Roland Dumas ein sehr interressantes Intwerview gegeben im französischen Fernsehen. Und da sagte er – Dumas – zwei Jahre bevor das in Syrien losging in London bei einen Besuch (unverständlich) von Top-Diplomaten von Großbritannien mit der folgenden Aussage: “Man habe in Großbritannien vor etwas zu machen in Syrien, das Regime zu stürzen. Ob er sich vorstellen könnte, dass Frankreich sich daran beteilige. In Frankreich hat dieses Interview viel (unverständlich) gemacht, in Großbritannien auch. Auch die New York Times hat darüber berichtet, in Deutschland ging das eher unter …”