28.05.2015

Fremdenfeindliche Demokraten – Deutschland ist PEGIDA

» Je unsicherer die Rahmenbedingungen der eigenen Existenz sind oder auch nur erscheinen, desto größer dürfte die Tendenz sein, sonst unterdrückte, politisch als unkorrekt angesehene Sichtweisen – nicht zuletzt also „rechte“ – auch zu artikulieren … auch solche, die sich als liberal oder gar „links“ verstehen, denken zu Teilen aber ganz ähnlich, bewerten das jedoch nicht als „rechts“ … Falls wir es aber schon grundsätzlich als „rechts“ bezeichnen wollten, wenn überhaupt fremdenfeindliche Motive vorhanden sind, wären … die übergroße Mehrheit der Deutschen „rechts“. Dem widerspricht aber schon, dass sich sowohl in der Gesamtbevölkerung der BRD – da sind es über 90 Prozent – wie auch bei den befragten PEGIDA-Marschierern eine überwiegende Mehrheit zur Idee der Demokratie bekennt. Ein großer Teil der Deutschen insgesamt wie auch der PEGIDA-Anhänger sind also anscheinend – und zwar quer durch die Parteien – „fremdenfeindliche Demokraten“ … Im Unbewussten ist es überhaupt kein Problem, sich wechselseitig völlig ausschließende Ideen gleichzeitig zu verfolgen … Erst dann, wenn ich mir beide Komponenten bewusst mache, kann ich darüber staunen – und mich fragen: Ja, was stimmt denn nun, was ist denn nun wirklich meine Position? … Ich denke daher, dieses Gemisch aus Fremdenfeindlichkeit und Demokratiebejahung hat etwas mit der psychischen Verfassung der meisten Menschen zu tun. Und mit der Tatsache, dass sie ihre unterschiedlichen Motive nicht tiefgründig reflektieren. Wer tiefgründig über Fremdenfeindlichkeit nachdenken würde, müsste sie aufgeben: Sie ist einfach zu dumm. Allerdings wird sie uns ja auch nahegelegt von vielen Politikern und Medien, die sich offenkundig wünschen, dass die Wut, die die Verhältnisse hierzulande erzeugen, nach „Außen“ abgelenkt wird, auf die, die nicht oder noch nicht dazugehören, irgendwie „anders“ sind. Hasserfüllte Fremdenfeindlichkeit wie überhaupt jede zerstörerische Aggressivität ist also nicht angeboren, sondern „herbeisozialisiert“ – insbesondere durch die vielfachen Erniedrigungen einer unterdrückend-autoritären Erziehung und Produktionsweise … Wer so aufgewachsen ist – und das gilt zumindest in abgeschwächtem Maße eben für die Mehrzahl von uns –, kam gar nicht umhin, Enttäuschung und Hass in sich anzustauen. Und wenn er diesen Hass nicht psychotherapeutisch „bearbeitet“, braucht er schließlich Ventile, Sündenböcke und Feindbilder, um sich zu orientieren und „Dampf abzulassen“ … Aus meiner Sicht mischt sich also bei PEGIDA – aber natürlich nicht nur dort – seit Kindheit angestaute Wut, die inzwischen von unterdrückenden Autoritäten auf „Fremde“ umgeleitet worden ist, mit realer Existenzunsicherheit sowie nachvollziehbarer Medien- und Politik- bzw. Politikerverdrossenheit … Und damit ist zumindest dieser Teil von PEGIDA ein Abbild unserer gesamten Gesellschaft. Entgegen anderslautender Sprüche ist Deutschland, und zwar in erheblichem Maße, nämlich genau das: PEGIDA. Die Erwachsenen sollten mit verschiedenen Therapieformen an ihrer eigenen destruktiven Gestörtheit arbeiten. Und wir alle miteinander sollten dafür sorgen, dass die nächste Generation erst gar nicht auf die gleiche Weise gestört und destruktiv gemacht wird, wie das bei uns noch der Fall war und ist … Versucht man, die psychische Struktur der Menschen zu ändern, leistet die Gesellschaft Widerstand. Versucht man, die Gesellschaft zu ändern, leisten die Menschen aufgrund ihrer psychischen Struktur Widerstand. Das zeigt, dass keines von beidem allein verändert werden kann. «
Ein beeindruckendes Interview mit Andreas Peglau (Dr. rer. medic.), Dipl.-Psychologe und Psychoanalytiker: http://www.nachdenkseiten.de/?p=26237

11.05.2015

Jean Zieglers neues Buch

Jean Ziegler, „Ändere die Welt! Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“
Verlag: C. Bertelsmann, 288 Seiten, ISBN: 978-3-570-10256-5, € 19,99 €
Verlagsankündigung: Die Kriege sind zurück, Hunger und Not gehören auch in Europa wieder zum Alltag, aufklärungsfeindliches Denken gewinnt an Boden. Die Welt verfügt zum ersten Mal in ihrer Geschichte über die Ressourcen, Hunger, Krankheit, Tyrannei auszumerzen; und doch wird der Kampf um knappe Güter menschenverachtend in immer neuen Dimensionen ausgetragen. Jean Ziegler, der seit Jahrzehnten Elend, Unterdrückung und Ungerechtigkeit anprangert, blickt zurück und befragt sich selbst, was er mit seiner wissenschaftlichen und politischen Arbeit bewirkt hat. Warum gelang es den Menschen in den westlichen Gesellschaften bisher nicht, ihre inneren Ketten abzuschütteln, die sie hindern, frei zu denken und zu handeln? Ziegler ruft dazu auf, die Welt zu verändern und zu einer sozialen Ordnung beizutragen, die nicht auf Beherrschung und Ausbeutung basiert. Seine Hoffnung richtet sich auf eine neue weltumspannende Zivilgesellschaft, die antritt, die Ursachen der kannibalischen Weltordnung zu bekämpfen.

08.05.2015

Wofür der braune Mob gebraucht wird

18. März Blockupy-Demo in Frankfurt: Brennende Autos und Gewalttaten am Vormittag, friedliche bunte Proteste am Nachmittag. Ulrich Wilken, Vizepräsident des hessischen Landtags und Anmelder dieser Protestdemo, sowie Horst Schmitthenner, lange Mitglied im Vorstand der IG Metall, äußerten sich über die Abläufe dieses Tages: „Der 18. März in Frankfurt, Tag der Blockade der neuen Zentrale der EZB, sei ein wichtiger Tag des Protests gewesen, resümierte Wilken. Mehr als 20.000 Menschen hätten gezeigt, dass es auch in Deutschland, das den sozialen Kahlschlag in der EU maßgeblich vorantreibe, wachsenden Widerstand gegen diese Politik gibt. Auch nach den Vorfällen am frühen Morgen mit brennenden Polizeiautos und Barrikaden hätten sie sich nicht davon abhalten lassen, nachmittags bunt, laut und gewaltfrei gegen das europäische Krisenregime, Nationalismus und Rassismus zu demonstrieren. Daran, dass Bilder von Ausschreitungen politisch gewollt waren, um die Bewegung zu diskreditieren, schien … niemand Zweifel zu hegen. Alle beschäftigte eine Frage: Wo waren die rund 10.000 bis an die Zähne bewaffneten Polizisten, als morgens eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Randalierern Zerstörungen in der Stadt anrichtete?
Horst Schmitthenner, lange Mitglied im Vorstand der IG Metall, jetzt im Verbindungsbüro Soziale Bewegungen für die Gewerkschaft aktiv, empörte sich, durch die Polizei seien am 18. März friedliche Demonstranten behindert, jedoch Gewalttaten nicht verhindert worden. Ulrich Wilken, der in den vergangenen Wochen im hessischen Landtag wiederholt aufgefordert worden war, sein Amt als dessen Vizepräsident niederzulegen, weil er sich angeblich von Gewalt »nicht hinreichend distanziert« habe, kündigte an, darüber werde noch zu reden sein: »Da brennen in der Stadt Autos über Stunden, zeitgleich verschanzen sich Polizisten hinter ihren Wasserwerfern an der EZB«. Gruppen, die mit der Bewegung, deren Zielen und ihrem Konsens zur Gewaltfreiheit nichts zu tun hätten, seien morgens durch die Stadt marodiert. Mit von der Partie seien eine diffuse »Macht kaputt, was euch kaputt macht«-Truppe, Provokateure der Polizei in Zivil und Neofaschisten gewesen, die ihr Kommen zuvor im Internet angekündigt hatten. Es gebe Fotos von dem an Scheiben von Banken aufgesprühten Slogan »Fuck Syriza« – wohl kaum ein Spruch von Linken.“