»Laut Michael Spence, dem Wirtschafts-Nobelpreisträger von 2001, soll ein "wohlwollend autoritäres System" die optimalen Voraussetzungen für langfristiges Wirtschaftswachstum bieten, da Demokratien innerhalb eines "zu kurzen Zeithorizonts" agieren … auch der kanadische Philosoph Daniel A. Bell sieht inzwischen in der repräsentativen Demokratie westlicher Prägung nicht mehr den besten "Weg, um ein politisches System zu organisieren". Stattdessen solle eine strikte Auslese der Führungselite nach "intellektuellen Fähigkeiten und moralischen Standards" stattfinden. Innerhalb einer solchen Meritokratie könnte auch eine neue Stimmgewichtung etabliert werden, erläuterte der in Peking lehrende Philosoph: "Denkbar wären mehr Stimmen für Menschen mit besserer Erziehung." Überdies seien Wahlen nur auf lokaler Ebene sinnvoll, wo "falsche Entscheidungen nicht so sehr ins Gewicht" fielen.
Dieses autoritäre, postdemokratische Denken wird somit nicht
an den "extremistischen Rändern" des publizistischen und
wissenschaftlichen Spektrums geformt, sondern in dessen arrivierter Mitte. Es
ist ein Extremismus der Mitte, der hier zum Ausdruck kommt – und der
offensichtlich von den nicht enden wollenden Krisenschüben seit 2007 befördert
wird … Obwohl sich der Kapitalismus offensichtlich in einer fundamentalen
Wirtschaftskrise befindet, stehen nur die Grundlagen der politischen Sphäre zu
Diskussion, während die Wirtschafts- strukturen jenseits der Kritik blieben … Das
Kapital und die "freien Märkte" stehen selbst in der gegenwärtigen
Systemkrise niemals zur Diskussion oder Disposition, weil sie in der
herrschenden Ideologie den Charakter von natürlichen Gesetzmäßigkeiten
annehmen, die aus unabänderlichen Wesenseigenschafen des Menschen oder der
Natur entspringen … Alles ist Ware, die Märkte sind allgegenwärtig, alle
Insassen dieses gesamtgesellschaft- lichen Irrenhauses sind dem Verwertungszwang
des Kapitals unterworfen ...«
Die ganze Analyse von Tomasz Konicz: http://www.heise.de/tp/artikel/38/38928/1.html
An den Rändern Europas findet die Einführung der
Meritokratie bereits statt. Ob die demokratischen Gegenbewegungen dies
aufhalten können, hängt auch von der Kraft der deutschen Opposition ab.
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