12.03.2015

"Der Mensch als Ganzes ist zunehmend aufgefordert, sich wie eine Ware auf dem Markt zu verhalten"

Aus einem Interview mit Hannes Hofbauer (studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien, arbeitet als Publizist und Verleger), über sein aktuelles Buch „DIE DIKTATUR DES KAPITALS. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter“:
» Wie diese Kapitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche zu Demokratieabbau führt, kann an vielen Beispielen ausgeführt werden. Nehmen wir nur die insbesondere seit Anfang der 1990er Jahre um sich greifenden Investitionsschutzabkommen. Allein Deutschland hat mit über 110 Ländern solche abgeschlossen. Sie sollen verhindern, dass investiertes Kapital an Wert verliert, wenn politische Eingriffe getätigt werden. Das heißt zum Beispiel, wenn heute ein deutsches Unternehmen in Rumänien investiert, dann kann es sicher sein, dass mögliche sozial-, umwelt- oder gar eigentumspolitische Änderungen, die die Gewinnerwartung des Unternehmens schmälern könnten, vom Staat, in dem das stattfindet, finanziell kompensiert werden müssen. Im Klartext: Wenn das rumänische Parlament härtere Umweltauflagen beschließt als bei Vertragsabschluss des Investments gegeben waren, wendet sich das deutsche Unternehmen an ein Schiedsgericht und klagt. Und wenn es Recht bekommt, muss Rumänien zahlen. Diese Schiedsgerichte der Investitionsschutzabkommen sind dabei allesamt bei der Weltbank angesiedelt und funktionieren nicht nach nationalen Rechtsgrundsätzen. Das heute überall breit diskutierte Transatlantische Freihandelsabkommen – „TTIP“ – soll die bereits in Massen vorhandenen Investitionsschutzabkommen nun auch transatlantisch gültig machen. Eine demokratische Entscheidung steht dann unter der permanenten Drohung, im Falle, dass diese negativ für einen Investor ausfällt, das Land sehr teuer zu kommen. Ein klarer Punktesieg im Match Kapital gegen Demokratie für das Kapital. Der Mensch als Ganzes ist zunehmend aufgefordert, sich wie eine Ware auf dem Markt zu verhalten … Solidarität wird heute beispielsweise von den führenden Vertretern der Weltmacht USA eingefordert, wenn es darum geht, Markterweiterungen für die Global Player überall auf der Welt militärisch durchzusetzen … Was weitum als Lobbyismus beschrieben wird, wenn also etwa große Konzerne oder ganze Branchen beispielsweise in der Europäischen Union ihre Interessen durchsetzen, hat de facto tiefer liegende Gründe … Es sind Think Tanks wie der „Council on Foreign Relations“ oder die „Atlantik-Brücke“, in denen sich das Personal befindet bzw. initialisiert wird, das dann die politische Umsetzung dort getroffener Entscheidungen durchführt … Die Gesetze, die unser Zusammenleben bestimmen, werden zwar durch die dafür vorgesehenen Parlamente gebracht, gemacht werden sie aber andernorts … Volksherrschaft, und nichts anderes heißt ja Demokratie, ist mehr als in Gefahr, sie existiert überhaupt nur auf dem Papier. Zusätzlich ist aber inzwischen Souveränitätsverlust auf allen Ebenen spürbar, von kollektiven sozialen Ebenen und Nationalstaaten bis zu ganz persönlichen Lebensbereichen. Auch Souveränität wird mehr und mehr der Profitlogik unterworfen. «
Quelle und das ganze Interview: www.nachdenkseiten.de/?p=25381

Hannes Hofbauer, „DIE DIKTATUR DES KAPITALS. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter“, Promedia Verlag Wien. ISBN 978-3-85371-376-1, 240 Seiten, 17,90 Euro
Aus der Verlagsankündigung: » Global agierende Kapitalgruppen, euphemistisch „Märkte“ genannt, treiben Parlamente und Regierungen vor sich her. Die Wirtschaft steht längst nicht mehr im Dienste des Menschen. Wer diesen Zustand anprangert, gerät ins politische Abseits. Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise 2008 ist es in immer mehr Ländern nicht mehr der Souverän, sondern die „Troika“ aus IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission, die Regierungen einsetzt. Volksentscheide werden von ihr als unkalkulierbares Risiko betrachtet. Wer dennoch das Volk politisch mobilisieren will, gilt den herrschenden Medien – je nach Richtung und Gusto – als links- oder rechtspopulistisch. Politische Interventionen, die den Wirtschaftsliberalismus bremsen könnten, finden so gut wie nicht mehr statt. Halb leere Urnen an den Wahlabenden sind die logische Folge, die ironischerweise von denselben Kräften als „Politikmüdigkeit“ beklagt wird, die den Kanon der Alternativlosigkeit anstimmen. Hannes Hofbauer geht in seinem neuen Buch einer Entwicklung nach, die die Logik der kapitalistischen Akkumulation als einzig zulässige akzeptiert, nach der sich Gesellschaft zu richten hat. Damit herrscht eine Diktatur des Kapitals, die von ihren Ideologen als „liberale Demokratie“ oder als „konstitutioneller Liberalismus“ definiert wird. «
Peter Nowak in "Neues Deutschland" vom 24. Oktober 2014: "Hofbauer hat ein dramatisches Kapitel Kapitalgeschichte verfasst. Er liefert allen, die sich gegen das TTIP und andere Freihandelsabkommen engagieren, eine gute Einführung in die Funktionsweise des Kapitalismus unserer Tage. Deutlich wird, dass Abkommen wie TTIP Resultat egoistischen kapitalistischen Verwertungsinteresses sind und nicht, wie oft behauptet, der Allgemeinheit dienen."
„Ein klein wenig Diktatur“ als Schmiermittel einer „marktkonformen Demokratie“ wird bereits seit einigen Jahren von Außenpolitikern, Politikberatern und sog. Sicherheitspolitikern diskutiert. Nachzulesen hier: www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57833

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