» Je unsicherer die Rahmenbedingungen der eigenen
Existenz sind oder auch nur erscheinen, desto größer dürfte die Tendenz sein,
sonst unterdrückte, politisch als unkorrekt angesehene Sichtweisen – nicht
zuletzt also „rechte“ – auch zu artikulieren … auch solche, die sich als
liberal oder gar „links“ verstehen, denken zu Teilen aber ganz ähnlich, bewerten
das jedoch nicht als „rechts“ … Falls wir es aber schon grundsätzlich als
„rechts“ bezeichnen wollten, wenn überhaupt fremdenfeindliche Motive vorhanden
sind, wären … die übergroße Mehrheit der Deutschen „rechts“. Dem widerspricht
aber schon, dass sich sowohl in der Gesamtbevölkerung der BRD – da sind es über
90 Prozent – wie auch bei den befragten PEGIDA-Marschierern eine überwiegende
Mehrheit zur Idee der Demokratie bekennt. Ein großer Teil der Deutschen
insgesamt wie auch der PEGIDA-Anhänger sind also anscheinend – und zwar quer
durch die Parteien – „fremdenfeindliche Demokraten“ … Im Unbewussten ist es
überhaupt kein Problem, sich wechselseitig völlig ausschließende Ideen
gleichzeitig zu verfolgen … Erst dann, wenn ich mir beide Komponenten bewusst
mache, kann ich darüber staunen – und mich fragen: Ja, was stimmt denn nun, was
ist denn nun wirklich meine Position? … Ich denke daher, dieses Gemisch aus
Fremdenfeindlichkeit und Demokratiebejahung hat etwas mit der psychischen
Verfassung der meisten Menschen zu tun. Und mit der Tatsache, dass sie ihre
unterschiedlichen Motive nicht tiefgründig reflektieren. Wer tiefgründig über
Fremdenfeindlichkeit nachdenken würde, müsste sie aufgeben: Sie ist einfach zu
dumm. Allerdings wird sie uns ja auch nahegelegt von vielen Politikern und
Medien, die sich offenkundig wünschen, dass die Wut, die die Verhältnisse
hierzulande erzeugen, nach „Außen“ abgelenkt wird, auf die, die nicht oder noch
nicht dazugehören, irgendwie „anders“ sind. Hasserfüllte Fremdenfeindlichkeit
wie überhaupt jede zerstörerische Aggressivität ist also nicht angeboren,
sondern „herbeisozialisiert“ – insbesondere durch die vielfachen Erniedrigungen
einer unterdrückend-autoritären Erziehung und Produktionsweise … Wer so
aufgewachsen ist – und das gilt zumindest in abgeschwächtem Maße eben für die
Mehrzahl von uns –, kam gar nicht umhin, Enttäuschung und Hass in sich
anzustauen. Und wenn er diesen Hass nicht psychotherapeutisch „bearbeitet“,
braucht er schließlich Ventile, Sündenböcke und Feindbilder, um sich zu orientieren
und „Dampf abzulassen“ … Aus meiner Sicht mischt sich also bei PEGIDA – aber
natürlich nicht nur dort – seit Kindheit angestaute Wut, die inzwischen von
unterdrückenden Autoritäten auf „Fremde“ umgeleitet worden ist, mit realer
Existenzunsicherheit sowie nachvollziehbarer Medien- und Politik- bzw. Politikerverdrossenheit
… Und damit ist zumindest dieser Teil von PEGIDA ein Abbild unserer gesamten
Gesellschaft. Entgegen anderslautender Sprüche ist Deutschland, und zwar in
erheblichem Maße, nämlich genau das: PEGIDA. Die Erwachsenen sollten mit
verschiedenen Therapieformen an ihrer eigenen destruktiven Gestörtheit
arbeiten. Und wir alle miteinander sollten dafür sorgen, dass die nächste
Generation erst gar nicht auf die gleiche Weise gestört und destruktiv gemacht
wird, wie das bei uns noch der Fall war und ist … Versucht man, die psychische
Struktur der Menschen zu ändern, leistet die Gesellschaft Widerstand. Versucht
man, die Gesellschaft zu ändern, leisten die Menschen aufgrund ihrer psychischen
Struktur Widerstand. Das zeigt, dass keines von beidem allein verändert werden
kann. «
Ein beeindruckendes
Interview mit Andreas Peglau (Dr. rer. medic.), Dipl.-Psychologe und
Psychoanalytiker: http://www.nachdenkseiten.de/?p=26237
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