Offener Brief zur Beschneidung männlicher Kinder: „Religionsfreiheit
kann kein Freibrief für Gewalt sein“. Stattdessen werden Expertendiskussionen und Interessens-Abwägung
gefordert.
Ein offener Brief an die Bundeskanzlerin, die Bundesminister
und die Bundestagsabgeordneten, wurde bisher von 140 Personen - Mediziner, Psychologen,
Juristen und andere - unterzeichnet. Auf FAZ.NET appellieren inzwischen mehr
als 300 Mediziner und Juristen an Bundesregierung und Bundestag, eine
Experten-Diskussion zu führen.
Die Unterzeichner verweisen im Brief auf das Wissen, dass es
keine medizinischen Gründe gibt, die für die Entfernung der (gesunden) Vorhaut
gesunder Knaben sprächen, dass erhebliche Schmerzen bei der Beschneidung
empirisch belegt sind und dass eine aufgeklärte Gesellschaft "Kindern
nicht wehtut". Gleichzeitig ruft der Brief dazu auf, sich für eine Diskussion
Zeit nehmen und diese auf wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage zu
führen sowie Erkenntnisse der Hirn- und Präventionsforschung zu berücksichtigen.
Verweisen wird auf die Entwicklungspsychologie, die belegt:
Im Alter von 4-6 Jahren entfaltet die Beschneidung besonders gravierende
psychotraumatische Wirkungen, weil in diesem Alter die Konsolidierung der
sexuellen Identität erfolgt.
Der Brief argumentiert moralisch-ethisch wie
juristisch-wissenschaftlich, fordert im Ergebnis aber lediglich zur Diskussion
auf, was der schizophrenen Sichtweise heutiger Realitätsbewältigung entspricht.
Es heißt dort:
- Religionsfreiheit sei kein Freibrief zur Anwendung von
(sexueller) Gewalt gegenüber nicht einwilligungsfähigen Kindern. / Sondern? Und
würde sich am Fakt etwas ändern, wären sie „einwilligungsfähig“?
- Kleinen Jungen wird durch die genitale Beschneidung
erhebliches Leid zugefügt. Dieses Leid ist mittlerweile in empirischen Studien
ausreichend belegt. / „Leid“ ist diskussionswürdig, nicht jedoch
„strafbewehrt“, wie es in Juristendeutsch heißt.
So kommt man zum Ergebnis:
- Das Grundrecht auf Religionsfreiheit von Erwachsenen mit
dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle
Selbstbestimmung sowie die Achtung seiner Würde seien miteinander abzuwägen. / Wie
sieht hierbei ein „salomonisches Urteil“ aus?
- Man solle sich für eine Diskussion Zeit nehmen und „diese auf
wissenschaftlicher und rechtlicher Grundlage führen sowie Erkenntnisse der
Hirn- und Präventionsforschung berücksichtigen“. / Wissenschafts- und
Experten-Gutachten sollen sich wie gewohnt eine Schlacht liefern.
All das, obwohl doch faktisch und zu Recht festgestellt
wird, dass „erhebliche Schmerzen bei der Beschneidung empirisch belegt“ sind
und eine aufgeklärte Gesellschaft "Kindern nicht wehtut".
Der Vorwurf, eine Strafbarkeit der rituellen Beschneidung
von Religionsunmündigen mache "jüdisches Leben in Deutschland
unmöglich", erledigt sich damit von selbst. Es sei denn, „jüdisches Leben“
(moslemisches ebenso) benötigt eine „psychotraumatische Wirkung“, was ernsthaft
wohl nicht behauptet werden kann. Es sei denn, dieser „religionsmündige Ritus“ ist
eine solche, dann wäre eine andere Therapie vonnöten. Eher jedoch werden wir es
wieder mit „Antisemitismus- und Antiislamismus“-Vorwürfen zu tun bekommen.
Der „Offene Brief“ erschien am 21.07.2012 in der FAZ:
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