31.12.2013

Wir machen uns unsere Götter und folglich können wir sie auch stürzen

„Die hitzigen öffentlichen Diskussionen um die Kapitalismuskritik des Papstes legen offen, dass es sich hierbei im Endeffekt um einen Religionsstreit handelt: Kapitalismus als säkularisierte Religion.“ Eine Analyse von Thomas Konicz. Keine leichte Lektüre, aber lehrreich.
Kurze Auszüge:  » … die Radikalität und die Präzision der päpstlichen Analyse … (sorgt) für den breiten Unmut im bürgerlichen Medienbetrieb ... Auch wenn es befremdlich scheint, aber der "Heilige Vater" hat die Ursachen und die Folgen der kapitalistischen Dauerkrise tatsächlich … auf den Punkt gebracht … 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, streben die Insassen "in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht" danach, aus Wert mehr Wert zu machen - auch wenn bei der uferlosen Realisierung dieses absurden Selbstzwecks die menschliche Zivilisation zugrunde zu gehen droht. Diese blindwütige Anhäufung von Wert … wird … als die … "wohlfahrtssteigernde Wirkung des Kapitalismus" verkauft … Die Aussage: "Der Kapitalismus schafft Wohlstand" stellt ein pseudoreligiöses Dogma dar, an dem nicht gerüttelt werden darf, auch wenn die sozialen Desintegrationstendenzen selbst in den Zentren des kapitalistischen Weltsystems zunehmen und Tausende von verzweifelten Menschen im Mittelmeer ertrinken, die aus der zusammenbrechenden Peripherie dieses in Auflösung befindlichen Weltsystems zu entfliehen versuchen … Indes sind die Verflechtungen zwischen Kapital und Religion enger, als es heutzutage den Anschein hat … Kapitalismus stellt somit einen Opferkult dar, dem in seiner Krise immer größere Menschenopfer gebracht werden müssen - ganz wie in vorchristlicher Zeit. Aus Geld muss mehr Geld werden: Der Aufrechterhaltung und permanenten Expansion der den gesamten Planeten verwüstenden fetischistischen Dynamik wird jedes Menschenopfer gebracht werden, selbst wenn die Gesellschaft im materiellen Überfluss erstickt … kann es im Kapitalismus durchaus "sinnvoll" sein, massenhaft "unverkäufliche" Wohnungen oder Lebensmittel zu vernichten - deren Wert nicht realisiert werden kann - während zugleich Menschen hungern oder erfrieren … Der Kapitalismus entpuppt sich somit letztendlich als der bislang wohl blutrünstigste Opferkult der Menschheitsgeschichte, vor dem sogar die Opferrituale der Azteken oder Inka verblassen … Durch das "Aushalten bis zum Ende", durch Sparmaßnehmen und ein "Ins-Extrem-Treiben" der kultischen Handlungen eines immer effizienter und brutaler organisierten Arbeitsregimes hofft man, die Krise zu überwinden und eine "Heilung" zu erwirken. Stattdessen steigen die Schuldenberge der Krisenstaaten immer weiter an, während die systemimmanenten Widersprüche weiter eskalieren: Je effizienter und härter die Lohnarbeit in der gegenwärtigen Krise organisiert wird, desto stärker greifen in der Warenproduktion Rationalisierungstendenzen um sich, die die Krise der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft weiter zuspitzen – und weitere Schuldenmacherei zur Aufrechterhaltung der Verwertungsbewegung des automatischen Subjekts unabdingbar machen. Die Lohnabhängigen erarbeiten sich ihre Krise buchstäblich – je härter und rücksichtsloser diese kultische Handlung der wertbildenden Lohnarbeit praktiziert wird, desto stärker zieht sich die Schlinge der systemischen Widersprüche um die Hälse der Kapitalgläubigen … Wir machen uns unsere Götter – und folglich können wir sie auch stürzen. «

Was den Armen zu wünschen wäre
Für eine bessere Zukunft?
Nur dass sie im Kampf gegen die Reichen
So unbeirrt sein sollen
So findig
Und so beständig wie die Reichen im Kampf
Gegen die Armen sind.

Erich Fried

Die Antwort der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf die „Frohe Botschaft“ des Papstes Franziskus: „Dass es zur Überwindung der Armut Marktwirtschaft und Kapitalismus braucht, kann dieser Papst nicht sehen“Quelle: www.faz.net/aktuell/wirtschaft/tyrannei-des-marktes-die-kirche-verachtet-die-reichen-12688735.html

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