09.10.2015

„Jeder Krieg wird an der ‚Heimatfront‘ medial verkauft“

Dass das erste Opfer des Krieges stets die Wahrheit ist – diese Weisheit firmiert seit Langem als geflügeltes Wort im deutschsprachigen Raum und ist durch vielerlei vortreffliche Recherchen, die ein trauriges Bild der Funktion unserer Massenmedien zu Kriegs- und Krisenzeiten zeichnen, belegt. Dass es um diese auch allgemein nicht sonderlich gut bestellt ist, haben unlängst etwa Walter van Rossum („Ja, lügen die Medien denn nun oder nicht?“) und Eckart Spoo („Keine Demokratie ohne Demokratisierung der Medien!“) in NachDenkSeiten-Interviews skizziert. Was aber tun? Wie entrinnen wir der Propaganda und Feindbildproduktion? Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit dem Schweizer Friedensforscher Daniele Ganser, der in einigen Tagen in Berlin unter dem Titel „Medienkompetenz: Wie funktioniert Kriegspropaganda und was kann man dagegen tun?“ referiert.
Daniele Ganser (Dr. phil.) ist Schweizer Historiker, spezialisiert auf Zeitgeschichte seit 1945 und Internationale Politik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Friedensforschung, Geostrategie, verdeckte Kriegsführung, Ressourcenkämpfe und Wirtschaftspolitik. Er unterrichtet an der Universität St. Gallen (HSG) zur Geschichte und Zukunft von Energiesystemen und an der Universität Basel im Nachdiplomstudium Konfliktanalysen zum globalen Kampf ums Erdöl. Er leitet das Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) in Basel.

Medienkompetenz: Wie funktioniert Kriegspropaganda und was kann man dagegen tun? Welche Funktion erfüllen die Medien in der Demokratie? Sind sie wirklich, wie es gemeinhin heißt, die „Vierte Gewalt“ im Staat, die Regierungen und Mächtige im Sinne der Bürger kontrolliert? Oder dienen sie vielmehr, wie etwa Noam Chomsky argumentiert, der Fabrikation gewünschter Einstellungen und Gedankengebäude, verbreiten also Propaganda im Sinne der Herrschenden? Der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser argumentiert, dass Medien beides sind. Einerseits liefern sie kritische Informationen und informieren die Bürger. Andererseits verbreiten sie aber auch Lügen und Kriegspropaganda. In diesem medialen Durcheinander ist guter Rat teuer. Wie kann man die Spreu vom Weizen trennen? Daniele Ganser beantwortet diese Frage, indem er offenlegt, wie Kriegspropaganda wirkt und was gegen sie getan werden kann. Er zeigt erstens, welche neuen Möglichkeiten das Internet jedem für eigene Recherche bietet. Danach blickt er anhand konkreter historischer Beispiele aus den letzten 25 Jahren kritisch auf die Leitmedien. Vom Krieg um Kuwait 1990 über die Terroranschläge vom 11. September 2001 bis hin zum Krieg in der Ukraine 2014 stellen sich dabei stets dieselben Fragen: Wurden wirklich alle Fakten benannt? Wurden ausnahmslos alle wichtigen Fragen gestellt? Gingen die Medien dabei auch kritisch mit den Mächtigen des eigenen Landes um? Und: Entsprechen die Geschichten, die sie über Kriegsbeginn und -ursachen jeweils zeichneten, überhaupt der Realität – oder stellen diese vor allem „Narrative“ dar, innert derer Gedanken, Moral und Entscheidungen der Bevölkerung absichtsvoll in die ein oder andere Richtung gelenkt worden sind?
Veranstaltung Ende Oktober zum Thema „Medienkompetenz: Wie funktioniert Kriegspropaganda und was kann man dagegen tun?“ Vortrag von Dr. Daniele Ganser: Medienkompetenz in Europa und US-Imperium - Ein kritischer Rückblick 14 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001
Noch Karten zum Zusatztermin am Sonntag, den 25.10.2015 13:45 – TICKET-ONLINE – Einlass: 13:30, Beginn: 13:45. Ort: BABYLON, Rosa-Luxemburg-Str. 30, 10178 Berlin.
Ganser zeigt, dass wir in einem „Informationskrieg“ leben. Die wissenschaftliche Analyse kontextualisiert er dabei mit seinen persönlichen Erfahrungen mit den Medien. Sein Ziel ist die Förderung von Medienkompetenz und hierdurch innerer Freiheit bei seinen Zuhörern. Denn, wie bereits Alfred Sturminger in seinem Klassiker „3000 Jahre politische Propaganda“ schrieb: „Jede Macht [die Propaganda] aber findet ihre Grenzen an der inneren Freiheit des Menschen, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Und mit dieser inneren Freiheit ist jeder Mensch von Natur aus ausgestattet.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen