22.11.2015

"Krieg gegen den Terror"

» Unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center hat die US-Regierung ihren "Krieg gegen den Terror" ausgerufen, mit dem Ziel, die "Achse des Bösen" zu besiegen und die Zivilisation der gesamten Welt zu verteidigen. Auch wenn die beiden genannten Leitbegriffe mittlerweile aus der offiziellen Sprachregelung verschwunden sind, prägen sie bis heute ganz wesentlich die US-Außenpolitik und damit das Weltgeschehen … Die NATO-Partner sind in diesen Krieg mit eingestiegen, der sich sehr schnell auf einige Staaten rund um den Nahen Osten fokussierte. Mit Verteidigungsetats, die die Welt in dieser Größenordnung zuvor nie gesehen hatte, wurde unter anderem in Afghanistan, im Irak und in Libyen massiv militärisch interveniert … Gerade in diesen Tagen, 14 Jahre und mehr als eine Million Tote später, ist es dringend geboten, die zentralen Fragen zu stellen: War die Strategie dieses Anti-Terror-Krieges erfolgreich? Ist das Leben in der westlichen Welt durch die unzähligen Militäroperationen und den Aufbau eines riesigen Überwachungsapparates sicherer geworden? Haben sich Gemeinwohl und demokratische Verfasstheit in den "Schurkenstaaten" nach Beseitigung der Schurken verbessert?
Die Antworten kennt man sowohl in Washington als auch in den europäischen Hauptstädten: Dieser Krieg hat es in keinem einzigen Punkt geschafft, die Lebensqualität auf unserem Planeten zu verbessern, und das Argument, dass wir durch ihn vor Schlimmerem bewahrt wurden, ist in keiner Weise belegt. «

Willkürliches Töten
» Die im offiziellen Politsprech „chirurgisch“ genannten Angriffe mittels umbenannter Fluggeräte sind nichts weniger als „genau“ oder „präzise“. Der Narrativ, dass der Drohnenkrieg ziviles Leben schütze, weil er exakt jene aus dem Verkehr ziehe, denen die Attacke gilt, ist nichts als eine Lüge. Seit Langem befassen sich nicht staatliche Forscher und Journalisten mit den Folgen des lautlosen Mordens, das mittlerweile gut dokumentiert ist. Das Bureau of Investigative Journalism veröffentlichte Studien zum Drohnenkrieg im Jemen, in Pakistan, Somalia und Afghanistan, die Menschenrechtsorganisation Reprieve kalkulierte den „Collateral Damage“ des gezielten Tötens: „Drohnenschläge wurden der amerikanischen Öffentlichkeit mit der Behauptung verkauft, sie seien 'präzise'“, erklärt Jennifer Gibson von Reprieve dem britischen Guardian. „Aber sie sind nur so präzise, wie die Geheimdienstinformationen, die sie füttern. „Nach den geltenden Normen des Kriegsrechtes sind viele der Drohnenangriffe einfach illegal, sind nicht zu rechtfertigen, weil dort Menschen angegriffen werden außerhalb eines konkreten Kampfgeschehens, also außerhalb eines bewaffneten Konfliktes“, bewertet der Völkerrechtler Christian Tomuschat die Situation im Gespräch mit dem Deutschlandfunk … In seiner programmatischen Rede über die Kriegsführung mit Drohnen betonte US-Präsident Obama, dass „unsere Handlungen legal“ seien, da sich die Vereinigten Staaten „im Krieg befinden“, in einem weltweiten Krieg „mit einer Organisation, die so viele Amerikaner töten würde, wie sie nur kann, wenn wir sie nicht zuerst stoppen“ … Die nun geleakten Dokumente zeigen auch, dass es nicht nur Taliban und al-Qaida-Kämpfer sind, die etwa in Afghanistan auf den Todeslisten stehen. Es handelt sich, wie Ryan Devereaux kommentiert, auch um „lokale Kräfte ohne jede Ambition zu internationalem Terrorismus, Gruppen, die erst die Waffen gegen die USA aufnahmen, nachdem die amerikanischen Luftschläge den Krieg an ihre Türschwelle gebracht hatten.“ Der kürzlich vor den NSA-Untersuchungsausschuss geladene US-Whistleblower Brandon Bryant, der selbst als Drohnen-Pilot tätig gewesen war, beschreibt den deutschen Beitrag zum Drohnenkrieg in einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama als „absolut zentral“: „Alle Informationen und alle Daten gehen durch Ramstein. Für alle Operationen weltweit. Auch für die CIA-Einsätze.“ … die Militärstützpunkte in Ramstein und Stuttgart sind die technische Klammer, die Deutschland zum wichtigen Faktor bei den gezielten Tötungen macht“, kommentiert Constanze Kurz in der FAZ. «

Der Westen als besonders aggressiv-treibende Kraft
» Für das erste Halbjahr 2015 genehmigte die Bundesregierung die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von 178 Millionen Euro nach Saudi-Arabien. An die Vereinigten Arabischen Emirate, das die meisten Soldaten der Allianz stellt, lieferte Berlin in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Kriegsgerät im Umfang von 46 Millionen Euro, darunter Panzerhaubitzen, Panzertransporter und dreitausend Maschinenpistolen … „Zuverlässigkeit und Vertrauen“ seien „das oberste Gebot“, wenn es um deutsche Waffenlieferungen gehe, erklärte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ende Oktober auf dem „Manama Dialog“ in Bahrain, der wichtigsten Sicherheitskonferenz im Nahen Osten … Noch umfangreicher fallen die Waffenlieferungen Frankreichs aus. Im April brachte Paris einen Deal über die Lieferung französischer Kampfjets an Katar im Wert von über sechs Milliarden Euro unter Dach und Fach. Im Juni folgte ein Investitionsabkommen mit Saudi-Arabien in Höhe von elf Milliarden Euro … Am Montag gab das Pentagon ein weiteres milliardenschweres Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien bekannt. Die Golfmonarchie werde für ihre Luftwaffe mehr als neunzehntausend Bomben im Wert von 1,2 Milliarden Euro kaufen. Offiziell dient das Geschäft dem Kampf gegen den Terror – welch Hohn angesichts der Tatsache, dass Riad im Jemen Seite an Seite mit al-Qaida kämpft.
Der Westen unterstützt im Jemen keinen Krieg gegen den Terror, sondern einen Terrorkrieg – der den Drahtziehern des Massakers an der Charlie Hebdo-Redaktion zugutekommt … „Das Regime zu zerstören, bedeutet den Staat zu zerstören“, so Landis. (12) Frankreich ist eine der führenden Mächte, die den Sturz Assads anstreben, und damit einem chaotischen Machtvakuum den Weg ebnen würden, von dem vor allem die Dschihadisten profitieren … Der Westen, und Frankreich agierte hier als besonders aggressiv-treibende Kraft, hat sich in den letzten Jahren – ob in Libyen, Syrien oder Jemen – zum Komplizen der Dschihadisten gemacht, für deren Bekämpfung er gleichzeitig immer mehr seiner identitätsstiftenden „Werte“ in Form bürgerlicher Freiheiten zu opfern bereit ist. Das ist die düstere Wahrheit – die mit einer noch düsteren Erkenntnis einhergeht: Wo die Brandstifter die Rolle der Feuerwehr übernommen haben, da wird die Flamme des Terrorismus lange nicht erlöschen. «

Barack Obama wird von ehemaligen US-Soldaten für seinen Drohnenkrieg kritisiert.
Vier Ex-Mitglieder der US-Luftwaffe geben Barack Obama und dem Drohnenkrieg eine Mitschuld am Terror. Sie bezeichnen das militärische Vorgehen als „eine der verheerendsten Triebfedern“ des internationalen Terrorismus. Durch den Drohnenkrieg würden unschuldige Zivilisten sterben. Dies fördere Hassgefühle, die wiederum den terroristischen Gruppen Zulauf bescheren. Das US-Vorgehen wäre vergleichbar mit einem „Rekrutierungsprogramm für Terroristen“, so die vier ehemalige US-Drohnenpiloten in einem offenen Brief an Obama, den der Guardian veröffentlicht hat. «

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