27.02.2012

Eine neue, sympathische, sich selbst bremsende Initative


Eine demokratisch-aktionsorientierte Initiative des Berliner Betriebswirts Stefan Schridde nennt sich „Murks? Nein danke!“ - Marktwirtschaft selber reparieren!
“Geplante Obsoleszenz” (gewollter Verschleiß, eingebaute Alterung, also das schnelle Kaputtgehen von Waren) soll öffentlich gebrandmarkt werden, Gegenöffentlichkeit soll offensiv dagegen vorgehen. Unsere Marktwirtschaft soll repariert werden. Das weist auf eine eingebaute, nicht-geplante Obsoleszenz hin.
In einem Interview mit „Telepolis“/heise.de sagte der sozialunternehmerisch denkende Mann auf die Frage „Und warum eigentlich gibt es so etwas wie “geplante Obsoleszenz”?“:
„Hinter der ‚geplanten Obsoleszenz‘ liegen viele Schwachstellen unserer bisherigen Art zu produzieren und zu konsumieren verborgen. … Wir wollen dafür sorgen, dass die Praxis der ‚geplanten Obsoleszenz‘ beendet wird und alle Hersteller sich zu nachhaltigen Produktentwicklungsstrategien bekennen und zertifizieren lassen.“
Zu den Zielen seiner Offensive äußerte er: „… wäre es natürlich ärgerlich, wenn dieses wichtige Thema von den Herstellern nicht als Gelegenheit genutzt werden würde, um mit ihren Kunden in ein kreatives Gespräch über die Verbesserung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Produktentwicklung zu kommen. Ein modernes Kundenbeschwerdemanagement sollte so ausgerichtet sein. … Dies führt auch zu dem Wunsch, sich wieder mehr (und auch persönlich) mit Produkten zu verbinden, indem man diese länger behalten will“.
Er verweist auf den Film "Kaufen für die Müllhalde", der glasklar analysiert, dass und wie das kapitalistische Wirtschaftssystem auf „geplante Obsoleszenz“ angewiesen ist. Sie diente und dient nicht nur der Bekämpfung bzw. Behinderung von Wirtschaftskrisen. Sie dient dem unabdingbaren „Wachstumszwang“, ohne den das System zusammen bräche. Selbst übersah er jedoch die Konsequenz, die keine „Reparatur“ erlaubt. Dieser Idee wohnt eine „nichtgeplante Obsoleszenz“ inne. Vielleicht wächst die Initiative ja noch über diese Bremse hinaus: http://www.murks-nein-danke.de/
Interview mit dem Berliner Betriebswirt Stefan Schridde: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36478/1.html
Die Glühbirne ohne „geplante Obsoleszenz“ brennt seit 1901. Auf dieser Webseite wird sie gezeigt, alle 30 Sekunden erfolgt ein Update, so kann ihre Lebensdauer verfolgt werden: http://www.centennialbulb.org/cam.htm
Auf diese Seite verlinkt Herr Schridde zwar. Er sieht aber nicht, was offensichtlich ist: Dass sein kann, was nicht sein soll. Unser Wirtschaftssystem funktioniert nur so, dass es eine über hundert Jahre funktionable Glühbirne lediglich in einem musealen Umfeld geben darf. Weil diesem System aufgrund dessen sein eigener Verschleiß innewohnt, der nicht eingeplant aber unvermeidbar ist. Kongenial unlogisch präsentiert sich der Aberglaube des Herrn Schridde, es könne „repariert“ werden.

19.02.2012

Gewerkschafter für ein Grundeinkommen

Eine neue Gewerkschaftsinitiative ermöglicht Gewerkschaftern über eine Webseite die Möglichkeit, sich dem Thema "Grundeinkommen für alle" kollegial zu widmen, indem Infos geboten, Diskussionsbeiträge und Kommentare sowie Unterschriften gesammelt werden. Bislang wurden aus den oberen Gewerkschaftsetagen argumentationsarme Bäh- und Schmähaussagen nach unten lanciert, wenn sich positive Stellungnahmen für ein "bedingungsloses Grundeinkommen" nach oben verirrten. So fürchtet DGB-Chef Sommer den Verlust des "Wertes der Arbeit". Auf den Gedanken, der könnte mit ihm eventuell gefördert, wenn nicht gar gerettet werden, kommen Gutverdiener wie er nicht.
Auf derSeite "Gewerkschafterdialog-Grundeinkommen - Plattform für die Unterstützung des Gewerkschafterdialogs zum Grundeinkommen" heißt es:
"Der Begriff der Arbeit ist das Feld, auf dem darüber gerungen wird, wer über die Zeit der ArbeitnehmerInnen und die Orte, an denen sie sich aufzuhalten haben, herrscht bzw. verfügt – UnternehmerInnen samt ihrer neoliberalen Hilfstruppen oder ArbeitnehmerInnen und ihre Gewerkschaften? Und er ist das Feld, auf dem die Humanisierung der Arbeit sowie ihre menschenwürdige Entlohnung erkämpft wird – oder eben nicht. Auf diesem Feld entscheidet sich die Zukunft unserer Gesellschaft:
Werden wir unser Gemeinwesen und das Gemeinwohl – sozusagen „arbeitend“ – miteinander und demokratisch organisieren und, wenn ja, wie?
Ein solidarisches Grundeinkommen hat viele Vorteile für ArbeitnehmerInnen: Anerkennung gesellschaftlich sinnvoller, nicht sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten; finanzielle Absicherung von allgemeiner oder spezialisierter persönlicher Qualifikation; Verbreiterung der Menge an Steuerungsinstrumenten zur Bewältigung von Wirtschaftskrisen; Schutz der ArbeitnehmerInnen vor zu starker Abhängigkeit vom Betrieb; verbesserte Ausgangsbasis bei Verhandlungen um ein gerechtes Entgelt.
Diskussionsprozess vertiefen – Grundeinkommen in Programmatik verankern
Diese Homepage möchte für die Idee eines Grundeinkommens innerhalb der Gewerkschaftsbewegung werben. …
Unser Arbeitskreis von GewerkschafterInnen beschäftigt sich mit dem Grundeinkommen als Mittel zur Verstärkung von ArbeitnehmerInnenrechten, für einen besseren Zugang in vernünftig bezahlte Arbeitsverhältnisse und zur selbstbestimmten Zukunftsplanung unabhängig von existenziellen Bedrohungen durch wegfallende Einkommen und/oder prekäre Jobs."

14.02.2012

"Tulpomanie" - Die Mutter aller Spekulationsblasen

Vor 375 Jahren brach in den Niederlanden der Markt für Tulpen zusammen 
Ein Radiobeitrag von Hermann Theißen, gesendet auf "Deutschlandfunk", veröffentlicht online am 6.2.12
"Der Tulpenwahn, von dem das Holland des frühen 17. Jahrhunderts betroffen war, lässt sich als Muster für heutige Finanzspekulationen und die damit verbundene Blasenwirtschaft deuten. Die Hausse, um es in heutiger Börsensprache zu sagen, setzte 1634 ein, als für Tulpenzwiebeln immer höhere Preise geboten wurden, was auch einfache Niederländer in ein Spekulationsfieber versetzte. " ... "Diese Hoffnung auf ständig steigende Preise beflügelte die ökonomische Fantasie ungemein und löste jene Massenhysterie aus, die heute als "Tulpomanie" bezeichnet wird."

12.02.2012

„Der Krieg der Banken gegen das Volk“

Unter dem Titel „Der Krieg der Banken gegen das Volk“ veröffentlichte die FAZ (bekannt als Sprachrohr der deutschen Wirtschaftsinteressen) am 3.12.11 einen Artikel von Michael Hudson, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Missouri.
Im Jahr 2006 sagte Hudson den Kollaps des Immobilienmarktes genau voraus. Im Artikel schreibt er: „… die Troika aus EZB, Europäischer Union und IWF verkündet, dass die Bevölkerung aufkommen müsse für das, was die Reichen sich nehmen, stehlen, am Finanzamt vorbeischleusen …
Seit dem 19. Jahrhundert haben demokratische Reformer versucht, Volkswirtschaften von Verschwendung, Korruption und Einkommen aus Vermögen zu befreien. Doch die ‚Troika‘ schreibt eine regressive Besteuerung vor, die nur durchzusetzen ist, wenn die Regierung in die Hände nicht gewählter ‚Technokraten‘ gelegt wird.
Die Bezeichnung ‚Technokraten‘ für die Administratoren einer derart undemokratischen Politik ist ein zynischer Euphemismus für Finanzlobbyisten oder Finanzbürokraten, die im Namen ihrer Auftraggeber als nützliche Idioten fungieren. Ihre Ideologie sieht den gleichen Sparkurs vor, der verschuldeten Staaten in der Dritten Welt zwischen den 1960ern und 1980ern vom Internationalen Währungsfonds aufgezwungen wurde. Diese Bürokraten sprachen von Stabilisierung der Zahlungsbilanz, öffneten zugleich den Markt und verkauften Exportbetriebe und Infrastruktur an ausländische Gläubiger. Die Folge war, dass die betroffenen Länder sich bei ausländischen Banken und ihren einheimischen Oligarchen noch weiter verschuldeten.
Dieser Weg wird nunmehr den Sozialdemokratien im Euroraum vorgeschrieben. Die Löhne sollen gekürzt, der Lebensstandard soll verringert werden und die politische Macht auf Technokraten übergehen, die im Auftrag großer Banken und Finanzinstitutionen agieren. Der öffentliche Sektor soll privatisiert, der Arbeitsmarkt dereguliert, Leistungen der Sozial-, Renten- und Krankenversicherung sollen eingeschränkt werden. …
In den Händen der Neoliberalen … bietet der freie Markt einer steuerbegünstigten Rentiersklasse die Freiheit, Zinsen, Vermögen und Monopolpreise zu erzielen.
Der Rentier betrachtet sein Verhalten als ‚Schaffung von Wohlstand‘. Wirtschaftsschulen lehren, wie Privatisierer Bankkredite und Anleihen aufnehmen und als Sicherheitsleistung die Einnahmen aus dem Verkauf von Infrastrukturangeboten bieten. Die Idee ist, diese Einkünfte als Zinsen an Banken und Investoren abzutreten und dann Gewinne zu erzielen, indem man die Gebühren für Straßen und Häfen, Wasser und Kanalisation und andere Dienstleistungen erhöht. Den Regierungen wird erklärt, dass es dem Land wirtschaftlich besser geht, wenn Leistungen der öffentlichen Hand eingeschränkt und Staatsunternehmen verkauft werden.“
Hudson schildert die Alternative in einem Satz: „… eine Wirtschaft ohne Einkommen aus Vermögen, frei von Sonderinteressen und Privilegien zur Erzielung von ‚Renten‘.“

10.02.2012

Was man mit Geld alles machen kann ... (2)


Momentan sieht es danach aus, als würde sich die Geschichte wiederholen – eben so, wie sich Geschichte üblicherweise wiederholt, nämlich aus Sicht der jeweiligen Zeitgenossen als etwas scheinbar völlig Neues und Anderes. Fest steht jedenfalls: Die beiden großen Krisen, die von heute und die der 1930er Jahre, bestätigten die Kapitalismuskritiker. Gegenwärtig wie in den 30ern gingen die Weltwirtschaftskrisen vom Kernland des westlichen Kapitalismus, den USA, aus. Damals allerdings wurde der Kapitalismus gerettet – vermutlich nicht trotz, sondern wegen des Weltkriegs und seiner „Nachfrageeffekte“. Die Zeche zahlten nur zum geringsten Teil die Verantwortlichen.Die Masse der Kosten blieb an der großen Mehrheit hängen.“ So beginnt der ausführliche Artikel von Karl Georg Zinn, veröffentlicht in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ vom Februar 2012 über „Die Krise in der Krise - Austeritätspolitik und die Wiederholung der Geschichte“.
Der Artikel endet mit folgenden Sätzen: „Wie politische Dummheit demokratischer Regierungen ganz undemokratische Verhältnisse herbeiführen kann, wurde am Beispiel des Untergangs der ersten deutschen Demokratie deutlich. Doch auch die jüngere Geschichte bietet vielerlei Anschauungsmaterial für diese Spielart „negativer Dialektik“ – so etwa die Invasion der Chicago-Ökonomen ins nachsowjetische Russland, die den Oligarchen in den Sattel und das russische Volk enteignen halfen, oder die trotz verheerender Kollateralschäden versagten Erfolge der Demokratie-Missionen im Irak und in Afghanistan. Manches, was noch herauskommen wird, und anderes, was wir noch erleben werden, begründen massive Zweifel, ob die Regierungen der besten aller Staatsformen, der Demokratie, auch bestens regieren. Der zunehmende „postdemokratische“ Filz von Politik und Lobbyismus wie auch die herrschenden Rekrutierungsmechanismen für politisches Führungspersonal durch die Parteien machen für die Zukunft jedenfalls nicht die allergrößten Hoffnungen.“

08.02.2012

Was man mit Geld machen kann ...

"In Braunschweig macht seit einigen Wochen ein unbekannter Wohltäter Familien und Einrichtungen glücklich. Er legt Zehntausende Euros in bar in einen Briefumschlag und wirft ihn in Briefkästen. Der Zweck, für den das Geld bestimmt ist, wird jeweils angegeben: Neben dem Bargeld befindet sich in den Umschlägen stets ein Artikel aus der Zeitung über Einrichtungen, Projekte oder Schicksale. So macht der Spender darauf aufmerksam, wofür das Geld verwendet werden soll." - So heißt es auf "ndr.de/regional/niedersachsen/harz"-online. "Er legt Zehntausende Euros in bar in einen Briefumschlag und wirft ihn in Briefkästen. Der Zweck, für den das Geld bestimmt ist, wird jeweils angegeben."
Das Geld sei echt, sagt die Polizei. Vom Spender weiß man es nicht.
Berichte: http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/spenden205.html, http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2048/artid/15641650, http://www.nordbayern.de/panorama/anonymer-wohltater-verschickt-130-000-euro-in-briefen-1.1840564

05.02.2012

Auf das Schlimmste vorbereiten

In einem hochaktuellen und genauen Referatskonzept zeigt Leo Mayer die Situation, die Aussichten und notwendigen Alternativen zur herrschenden Krise des Kapitalismus auf.
Aus dem Text: "OECD, 28.11.2011: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat vor massiven Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise auf die Weltwirtschaft gewarnt. Politiker rund um den Globus müssten sich "auf das Schlimmste vorbereiten", heißt es in ihrem Wirtschaftsausblick6. Sollte Europa die Lage nicht unter Kontrolle bringen, könnte sich die Störung der Wirtschaft massiv ausweiten und "in absolut katastrophalen Resultaten enden". Der Euro-Zone drohe eine "lange und tiefe Rezession" mit deutlich steigender Arbeitslosigkeit.
Beim nächsten EU-Gipfel Ende Januar soll der Vertrag behandelt und im März beschlossen werden. Am 1. Januar 2013 soll er in Kraft treten, wenn er von mindestens 12 der 17 Euro-Länder ratifiziert ist. Innerhalb von maximal fünf Jahren soll der Vertrag - der jetzt nur ein Abkommen nationaler Regierungen ist - in den rechtlichen Rahmen der EU eingefügt werden.
D.h. im Jahr 2012 wird die öffentliche Debatte um den Fiskalpakt stattfinden. Es gilt, in diese Debatte einzugreifen:
Widerstand entwickeln
Konsequenzen und Alternativen aufzeigen
Volksabstimmung über diesen Vertrag fordern"

„Bankenkrise - Finanzkrise - Euro-Krise - Sparprogramme – Wirtschaftskrise“
Eine aktuelle Analyse der Banken-, Finanz- und Eurokrise und die anstehenden Alternativen
Referatskonzept von Leo Mayer
Stand: 17.1.2012 (14 Seiten A 4)
Quelle: isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

04.02.2012

Weshalb konsumieren?


Sygmund Baumann, polnisch-britischer Soziologe und Philosoph, emeritierter Professor, Publizist über die konsumistische Gesellschaft von heute:
Als menschliche Wesen sind wir aufgrund unserer Natur zwangsläufig Konsumenten: Wir müssen uns auf den Metabolismus der äußeren Welt einlassen. Das galt schon immer. Das Neue und Besorgniserregende heute ist die Expansion des Konsumismus, all jener Verhaltensweisen also, die im Prozeß des Konsumierens entstehen und sich inzwischen über die ganze Gesellschaft ausbreiten. Mich interessieren die Folgen dieser Kolonisation.“
"Die Pointe Ihrer Argumentation aber ist, daß die konsumistische Struktur unserer Gesellschaft auf die Menschen selbst zurückschlägt: Sie modellieren sich nach der Form von Waren."
Die konsumistischen Verhaltensmuster beruhen nicht auf dem Wunsch, immer mehr zu besitzen, sondern auf der Sehnsucht nach dem schnellen und stetigen Wechsel. … Heute sind wir mit radikal neuen Möglichkeiten konfrontiert, aber die Sehnsucht ist immer dieselbe: uns attraktiver für den Arbeitsmarkt, auch den Beziehungsmarkt zu machen. Und wir wissen, daß wir uns diese Sehnsucht nur erfüllen können, indem wir uns mit den neuesten Produkten ausstaffieren. … Wir haben die Wahl, aber indem wir sie ausüben, vertiefen wir unsere Abhängigkeit vom Markt. Man kann nicht eindeutig sagen, ob es Freiheit ist oder Sklaverei. Ich meine: es ist Sklaverei durch Freiheit, und Freiheit durch Sklaverei. Das eine ist nicht ohne das andere zu denken. … Die Konsumgesellschaft hat enorme Fähigkeiten, jede Kritik an ihr zu absorbieren. …“
Die ganze Leseprobe: http://www.sinn-und-form.de/index.php?tabelle=leseprobe&titel_id=4394
Quelle: „Sinn und Form“, Beiträge zur Literatur, herausgegeben von der Akademie der Künste, Leseprobe aus Heft 4/2011

Weshalb arbeiten?

Zur Frage, weshalb wir Menschen (zumindest hier in den industrialisierten Ländern) arbeiten, ja gerne arbeiten wollen bzw. möchten, wären wir vom Arbeitszwang befreit:
„Wenn wir fragen, welche Vielzahl von Motivationen (unabhängig vom Zwang der Existenzsicherung) es  heute  gibt, stoßen wir etwa auf Konsumlust, den Wunsch zu erleben, dass man ‚dazu gehört‘, die Freude, seine Kraft - die erworbene Arbeitsqualifikation - äußern zu können, Genugtuung, hierfür ‚anerkannt‘ zu werden, überhaupt die Freude am Können (‚Funktionslust‘) und oft auch, obwohl der Kapitalismus das gar nicht fördert, das Interesse am Guten und Schönen, übersetzt in den Wunsch, an seiner Herstellung beteiligt zu sein. … (Motivationen im nicht mehr real existierenden Sozialismus): nicht ‚Hunger‘ noch ‚Gewinnstreben‘ (wie in vorkapitalistischen Zeiten, sondern) Verantwortungsbewusstsein, Stolz auf anerkannte Leistungen, Arbeit als Lebensbedürfnis, Konsumlust durchaus - der Versuch, sich eine ‚Prämie‘ zu verdienen - und, wenn alles nichts half, die Angst vor Kritik oder Repression.“
Michael Jäger, „Die Andere Gesellschaft“ – ein thematischer Diskussions-Blog, veröffentlicht am 26.01.2012.
Der ganze Beitrag:  http://www.freitag.de/community/blogs/michael-jaeger/77-den-fallschirm-oeffnen

25.01.2012

Leben für Müll

ARTE brachte am 24.1.12 den Film "Kaufen für die Müllhalde". Das war kein üblicher Bericht über die leidige Müllsammelei, sondern eine in die Historie des Produktionssystems blickende Analyse - mit Lücken. Der Text zum Film:
- Glühbirnen, Nylonstrümpfe, Drucker, Mobiltelefone - bei den meisten dieser Produkte ist das Abnutzungsdatum bereits geplant. Die Verbraucher sollen veranlasst werden, lieber einen neuen Artikel zu kaufen, als den defekten reparieren zu lassen. Die bewusste Verkürzung der Lebensdauer eines Industrieerzeugnisses, um die Wirtschaft in Schwung zu halten, nennt man "geplante Obsoleszenz". Bereits 1928 schrieb eine Werbezeitschrift unumwunden: "Ein Artikel, der sich nicht abnutzt, ist eine Tragödie fürs Geschäft".
Gestützt auf mehr als drei Jahre dauernde Recherchen, erzählt die Dokumentation die Geschichte der geplanten Obsoleszenz. Sie beginnt in den 20er Jahren mit der Schaffung eines Kartells, das die Lebensdauer von Glühbirnen begrenzt, und gewinnt in den 50er Jahren mit der Entstehung der Konsumgesellschaft weiter an Boden. -
Danach werden beherzte Menschen und Initiativen gezeigt, die durch Reparieren und Tauschen diesen Zwängen entgehen wollen. Erschreckend ist die Tatsache, dass der Wachstumszwang des Kapitalismus ohne "geplante Obsoleszenz" nicht funktioniert. Weshalb ihm aber den Zwang zum Wachstum innewohnt, blieb ungesagt. Unterlässt man die Antwort darauf, verfängt der Glaube an seine Überwindung, ohne den Kapitalismus antasten zu müssen. Doch wer dem Wachstum ans Bein pinkelt, muss im Kapitalismus auch die Folgen tragen: Krisen, Arbeitslosigkeit und Armut.Weshalb auch die in der Rüstungsindustrie Angestellten für mehr Wachstum ihrer produzierten Waffen und ihren Export sind. Krieg und Elend hin oder her ...
Ausschnitte des Films können noch gesehen werden.

20.01.2012

Unsere neue Wirklichkeit

Georg Seeßlen, Kulturkritiker und Publizist, erkennt eine Transformation des Produktionskapitalismus hin zum Distributionskapitalismus und konstatiert die "Red Bullisierung" der Gesellschaftskultur. Anhand der Ware "Red Bull" analysiert er ein neues Stadiums des Kapitalismus, denn "neue Ware will das Leben selbst sein, und sie kann das vor allem, weil sie zu großen Teilen virtuell ist". Dabei spielen Medien die wichtigste Rolle. Seeßlen sagt: "Die Medien sind nicht einfach „Opfer“ von Ökonomisierung und Privatisierung, sondern sie sind Teil der Wandlung des Produktions- in den Distributionskapitalismus. … (so) wird Dominanz als Wesensform gesellschaftlicher Aktivität konstruiert. Diese vernetzte Dominanz ist die neue Form von Herrschaft. Weder sichtbare Macht noch Kontrolle, stattdessen Dominanz als Gegenwärtigkeit, als Korruption von Sprache und Code, als Anschlussfähigkeit der Subdominanten. … So wird die virtuelle Ware … zum Transformationsmittel zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, dem Sozialen und dem Körperlichen, kurz zur Nachfolge dessen, wofür einst Religion und dann Kultur zuständig war. …" Wir leben künftig inmitten einer "einzigen gewaltigen Casting Show, in der Red Bull das Brandzeichen des Erfolges darstellt."
Zum ganzen Artikel in "der freitag"-online vom 19.1.12.


18.01.2012

Wulffanständigkeit: Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete ...

Zur Eröffnung unseres Blog veröffentlichten wir am 8. Sept. 2011 die nicht-gehaltene Papstrede vor dem Berliner Parlament eines sog. "Ghost"-Writers. Anlässlich des Nicht-Rücktritts des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland verlinken wir zur nicht-gehaltenen Rücktrittsrede dieses Bundespräsidenten Christian Wullf eines "Ghost"-Writers, der daraufhin unfreiwillig zurücktreten musste. Die Rede beginnt folgendermaßen:
Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde und um meine Entlassung gebeten. Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens. Und ich gehe nicht alleine wegen meines so fehlerhaften Hauskredits, wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Häuslebauer ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann. ..."
Quelle: "das Blättchen"

13.01.2012

Essen gegen Hunger

"Die Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft verköstigt auf der Grünen Woche in Berlin Currywürste für die Welthungerhilfe. Ein absurder PR-Coup der an Geschmacklosigkeit und Falschinformation kaum zu überbieten ist! So ist doch allgemein bekannt, dass der hohe Fleischkonsum in den Industrieländern maßgeblich zum Welthunger beiträgt. Denn um 1 Kilokalorie aus tierischen Lebensmitteln zu erzeugen, werden durchschnittlich 7 pflanzliche Kilokalorien benötigt. Die pflanzlichen Kalorien, die in einer einzigen „Currywurst gegen den Welthunger“ stecken, könnten demnach einen erwachsenen Menschen einen ganzen Tag lang satt machen.
Besonders geschmacklos: Für die deutsche Massentierhaltung werden jährlich über 5 Millionen Tonnen Soja aus Südamerika importiert. Das entspricht einer Fläche von 2,2 Millionen Hektar. Auf dieser Fläche könnte man so viele Lebensmittel ökologisch produzieren, um 12 Millionen Menschen ein Jahr lang ausgewogen zu ernähren.
Wer also wirklich etwas gegen den Welthunger tun möchte, sollte WENIGER Fleisch essen. Konventionelle Currywürste aus Massentierhaltung befeuern den Welthunger hingegen zusätzlich."
Quelle: http://www.umweltinstitut.org - Newsletter des Umweltinstitut München e.V., 13. Januar 2012

07.01.2012

Empört euch - Engagiert euch - Maßt euch an!

Über Kapitalismus, Demokratie und Alternativen wird auch in der Schweiz diskutiert. Die "junge welt" brachte in ihrer Wochenendbeilage vom 07.01.2012 ein Interview mit Beat Ringger. Er ist Mitbegründer eines Denk-Netzwerks namens "Denknetz". Er veröffentlichte u.a. das Buch "Maßt euch an! Auf dem Weg zu einem offenen Sozialismus", Verlag Westfälisches Dampfboot. Im Interview äußerte er: "Wenn wir den Kapitalismus überwinden, dann ist das eine Anmaßung wider die Blindheit der Geschichte. Diese Anmaßung kann nur gelingen, wenn die Masse der Menschen sich in diesen Prozessen engagiert und dauerhaft beteiligt. Sonst haben wir sehr rasch wieder neue Herrrschaftsformen, neue Eliten, neue Varianten der Ausbeutung. Wir dürfen nicht die Illusion pflegen, daß es reichen würde, nur die richtige Partei zu wählen, hinter der richtigen Fahne herzulaufen oder einen historischen Knopf zu drücken – und dann kommt der schöne Sozialismus. Für das Gelingen gibt es weder Rezepte noch eine Garantie. Die große Masse der Menschen aber wird sich engagiert nur dann beteiligen, wenn sie alle demokratischen Freiheiten und Rechte haben, um ihre Anliegen ungehindert ausdrücken zu können."
Das ganze Interview: »Demokratie ist im Kapitalismus bestenfalls unvollendet«
Die Webseite "Maßt euch an!":Masst euch an!
Die Webseite "Denknetz": www.denknetz-online.ch/index

04.01.2012

Auf und ab

Für die Ökologie ist das auf jeden Fall eine gute Nachricht.
Der Volkswirtschaftler Prof. Niko Paech im Deutschlandfunk zur Prognose von weniger als einem Prozent Wirtschaftswachstum in der BRD.

31.12.2011

Ein Gedicht zur Lage der Welt am Jahreswechsel

Mario Benedetti
Ode an die Befriedung

Ich weiß nicht, wie weit die Friedensstifter mit ihrem metallischen Klang des Friedens noch gehen;
aber es soll schon Versicherungsvertreter geben, die Policen gegen die Befriedung verkaufen.
Und es sind Stimmen zu vernehmen, die das Würgeisen für jene fordern,
die nicht befriedet werden wollen.
Wenn die Friedensstifter anlegen, schießen sie natürlich für den Frieden
und mitunter befrieden sie zwei Fliegen mit einer Klappe.
Es gibt immer einen Dummkopf, der sich weigert, hinterrücks befriedet zu werden,
oder einen Hohlkopf, der sich der Befriedung niederer Intensität widersetzt.
Und wir sind ein derart eigenartiges Land,
in dem ein guter Friedensstifter wird, wer den Friedensstiftern den Frieden bringt.

Quelle

25.12.2011

Der zu beendende endlose Prozess

"Man stelle sich vor, daß das jährliche wirtschaftliche Wachstum aller Volkswirtschaften dieses Planeten im Durchschnitt drei Prozent betragen würde, dann entspräche dies in zehn Jahren einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 34,4 Prozent, in 100 Jahren um 1821,9 Prozent. Und man stelle sich vor, daß sich dieses Wachstum nur zur Hälfte in Waren, zur anderen in Dienstleistungen manifestieren würde, so könnte das in zehn Jahren 17,2 Prozent, in 100 Jahren rund 911 Prozent mehr Personenkraftwagen, Lastwagen, Flugzeuge ergeben. Entsprechend mehr Rohstoffe müßten aus immer größeren Tiefen der Erde gefördert werden, auch durch Erschließung des Meeresgrunds; entsprechend mehr Straßen, Autobahnen, Häfen, Flughäfen müßten gebaut oder erweitert werden, und trotz neuer Energiespar- und anderer ökologischer Techniken könnten die Lärm-, Luft-, Wasser- sowie Klimabelastungen zunehmen – zu schweigen von den sonstigen Schäden, die heute in der Technikfolgenabschätzung noch gar keine Beachtung finden. Mit anderen Worten, dem heillosen Wachstumswahn, dessen tiefste Ursache in der Logik des Kapitals zu finden ist, stehen natürliche Grenzen des Wirtschaftswachstums entgegen. Die Bemühungen, künftig Wüsten in Kulturlandschaften zu verwandeln, den Meeresgrund oder fremde Planeten zu besiedeln, können daran wenig ändern; sie werden angesichts der in alle Poren der Weltgesellschaft eingedrungenen Kapitalverwertungsinteressen nur die Schuldenberge und damit das Elend der Massen vergrößern."
Textausschnitt aus dem Artikel "Arbeitszeitverkürzung ist alternativlos" von Hans See, erschienen in "Ossietzky", 25/2011; http://www.ossietzky.net/25-2011&textfile=1699

Karl Marx sagte es so: "Der Markt muss beständig ausgedehnt werden, so dass seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Produzenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer unkontrollierbarer werden" und "Reichtum ist der Inbegriff aller Gebrauchswerte; aber als immer nur ein bestimmtes Quantum Geld ist seine quantitative Schranke im Widerspruch zu seiner Qualität. Es liegt daher in seiner Natur, beständig über seine eigne Schranke hinauszutreiben: endloser Prozess."
Zitiert von Michael Jäger im Artikel "Das Geld ist der Gott unter den Waren“, bei "der freitag - online"; http://www.freitag.de/alltag/1151-das-geld-ist-der-gott-unter-den-waren



24.12.2011

Ballade von der Billigung der Welt

Bertolt Brecht (1932)

1
Ich bin nicht ungerecht, doch auch nicht mutig
Sie zeigten mir da heute ihre Welt
Da sah ich nur den Finger, der war blutig
Da sagt ich eilig, daß sie mir gefällt.

2
Den Knüppel über mir, die Welt vor Augen
Stand ich vom Morgen bis zur Nacht und sah.
Sah, daß als Metzger Metzger etwas taugen
Und auf die Frage: Freut's dich? sagte ich: Ja.

3
Und von der Stund an sagt ich ja zu allen
Lieber ein feiger als ein toter Mann.
Nur um in diese Hände nicht zu fallen
Billigte ich, was man nicht billigen kann.